Presseakkreditierung auf Messen: Neue Richtlinien stellen freie Fotografen und Content Creator vor Herausforderungen

Zwischen Pressefreiheit, Veranstalterinteressen und dem Wandel im Messemarketing – wer künftig noch ein kostenfreies Presseticket erhält und wie sich die neuen Regeln auf die Arbeit freier Fotografen und Content Creator auswirken
Deutschland das Messeland
Messen gelten als Schaufenster der Wirtschaft – doch ohne Bilder bleibt das Schaufenster leer. Dennoch geraten ausgerechnet diejenigen, die diesen Content liefern, zunehmend ins Abseits: freie Fotograf:innen, Videografen und Content Creator, die im Auftrag von Ausstellern professionelle Inhalte produzieren, erhalten immer öfter keine Presseakkreditierung mit kostenfreiem Zutritt. Hintergrund sind neue, bundesweit abgestimmte Akkreditierungsrichtlinien, die in Zusammenarbeit mit dem AUMA (Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V.) sowie allen deutschen Messegesellschaften überarbeitet und vereinheitlicht wurden. Ihr Ziel: die Pressezugänge klar auf redaktionell tätige Journalist:innen zu beschränken. Doch die Neuerungen sorgen für Unverständnis – besonders bei Bilddienstleistern, die sich bisher auf Grundlage ihres anerkannten Presseausweises und ihrer redaktionell verwertbaren Inhalte problemlos akkreditieren konnten.
Zwischen Reportage und Auftrag: Die Realität vieler Messefotograf:innen
"Ich habe einen gültigen Presseausweis und arbeite für mehrere Aussteller, um deren Messestände, Teams und Events professionell zu dokumentieren", erklärt ein langjähriger Messefotograf. "Diese Bilder landen oft nicht nur auf Social Media oder im Firmenarchiv, sondern regelmäßig auch in Pressemitteilungen, Blogs und Fachmedien – mit direktem Bezug zur Messeveranstaltung."
In der Praxis sind freie Fotograf:innen und Content Creator ein fester Bestandteil der Messekommunikation. Sie erstellen das visuelle Material, mit dem Aussteller ihre Präsenz im Vorfeld bewerben, während der Messe begleiten und im Nachgang öffentlichkeitswirksam dokumentieren. Dabei profitiert oft auch der Messeveranstalter indirekt – zum Beispiel durch Reichweite auf Social Media, Nennungen in Presseberichten oder Nachhaltigkeitskampagnen, in denen die Messe mit ins Bild gerückt wird – ohne zusätzliche Kosten für die Veranstalter.
Der wirtschaftliche Aspekt: Geht es auch um Ticketverkäufe?
Offiziell sollen die neuen Regeln „Missbrauch“ durch fachfremde Antragsteller verhindern und für journalistische Klarheit sorgen. Doch aus der Branche mehren sich Stimmen, die in den neuen Kriterien auch eine Strategie zur Erhöhung der Ticketverkäufe vermuten. Denn wer keine Presseakkreditierung mehr erhält, muss als Dienstleister, Fachbesucher oder über den Aussteller kostenpflichtig ein Ticket erwerben.
Gerade bei großen Messen mit hohen Tagespreisen oder mehrtägigen Einsätzen kann das für Fotograf:innen, Video-Crews und Agenturen spürbare Mehrkosten bedeuten – insbesondere dann, wenn die Arbeit vor Ort rein redaktionellen Charakter hat oder auf langfristige Kundenbeziehungen aufgebaut ist.
Zudem hat sich die Medienlandschaft verändert: Klassische Presseformate sind heute längst nicht mehr die einzigen Informationskanäle. Blogs, Podcasts, soziale Netzwerke und Corporate Publishing liefern Inhalte mit großer Reichweite – meist auf Initiative freier Medienschaffender.
Veranstalter betonen Hausrecht und klare Abgrenzung
Die Messegesellschaften betonen, dass die Änderungen nicht gegen Dienstleister gerichtet sind, sondern der Fairness dienen sollen. In einer Mitteilung heißt es: "Presseakkreditierungen sind ausschließlich redaktionellen Tätigkeiten vorbehalten. Wer im Auftrag von Ausstellern arbeitet, nutzt bitte die entsprechenden Besucher- oder Dienstleistertickets."
Grundsätzlich gilt: Veranstalter dürfen im Rahmen ihres Hausrechts selbst entscheiden, wer als Pressevertreter zugelassen wird. Problematisch wird es für viele jedoch, wenn die eigene Arbeit sowohl redaktionelle Elemente (z. B. für Branchenmedien, Blogs oder Presseportale) als auch Kundenaufträge umfasst – was in der modernen Medienpraxis eher die Regel als die Ausnahme ist.
Messe-Content ist Mehrwert für alle Seiten
Was bei der Diskussion häufig untergeht: Die Inhalte, die von freien Fotograf:innen und Content Creators produziert werden, stärken nicht nur die Sichtbarkeit der Aussteller, sondern auch der Messe selbst. Sie erscheinen auf LinkedIn, in YouTube-Beiträgen, Instagram-Stories, Branchennewslettern oder Fachportalen – meist ohne dass der Veranstalter diese beauftragen oder honorieren müsste.
Gerade im Bereich Nachhaltigkeit, Innovation oder Employer Branding erfüllen diese Inhalte eine wichtige Funktion: Sie dokumentieren Fortschritt, zeigen gesellschaftliche Verantwortung und emotionalisieren technische Produkte – das alles mit Sichtbarkeit für die Messemarke.
Ein Plädoyer für Augenmaß und Differenzierung
Die neue Regelung bringt Klarheit – aber auch Verunsicherung. Viele Medienschaffende wünschen sich eine differenzierte Bewertung ihrer Tätigkeit, gerade dann, wenn sie sowohl journalistisch als auch dienstleistend tätig sind. Denn: Nicht jede Pressearbeit sieht heute noch aus wie die klassische Redaktionsarbeit vergangener Jahrzehnte.
Es wäre wünschenswert, wenn Messeveranstalter bei der Prüfung von Akkreditierungsanträgen nicht nur starr auf Kategorien, sondern auf Inhalte und Wirkung der Arbeit blicken würden. Denn letztlich profitieren Aussteller, Besucher und Veranstalter gleichermaßen von hochwertigem Content – unabhängig davon, ob dieser redaktionell oder im Kundenauftrag erstellt wurde.